Sid Meiers Civilization VII - Test/Review
Es wird Zeit, eure Uhren zurückzudrehen. Weiter. Noch weiter. Bis ganz an den Anfang der Menschheit, als unsere Spezies ihre ersten zarten Schritte unternommen hat und sich dachte: “Hey, wäre es nicht großartig, eine Zivilisation zu gründen?”
Von Lars Hack am 09.02.2025 - 22:58 Uhr

Fakten

Plattform

PC

Publisher

2K

Entwickler

Firaxis Games

Release

11.02 2025

Genre

Strategie

Typ

Vollversion

Pegi

12

Webseite

Preis

59,99 Euro

Media (12)

Noch viel Luft nach oben


Es wird Zeit, eure Uhren zurückzudrehen. Weiter. Noch weiter. Bis ganz an den Anfang der Menschheit, als unsere Spezies ihre ersten zarten Schritte unternommen hat und sich dachte: “Hey, wäre es nicht großartig, eine Zivilisation zu gründen?” Ihr habt richtig geraten: dieses Mal geht es um Civilization VII, frisch aus dem Hause Firaxis und gepublisht von 2K. Reisen wir also gemeinsam zurück an den Anfang.

Es war einmal…


… die ersten aufrechten Schritte, das erste angebaute Feld und plötzlich entschied man sich, zusammenzuleben. Damit ist eigentlich schon fast alles zur Story von Civilization VII gesagt. Damit alles zu jeder Story von jedem Civ-Spiel gesagt! Denn eigentlich machen wir unsere eigene Story, auf unserer eigenen Welt, mit unserer eigenen kleinen Sammlung an Menschen. Zu Beginn einer Runde Civilization - ob im Single- oder dem Multiplayer wählen wir einen Anführer und Kultur aus, legen die Parameter der Weltkarte fest, auf der wir spielen möchten, uns los geht’s. Aber der neuste Star der Reihe mischt die altbekannte Formel mit ein paar mal mehr, mal weniger bekannten Neuerungen auf, um es nicht langweilig werden zu lassen bei Teil Sieben. Wir wählen zunächst einen Anführer aus. Das sind dieses Mal nicht nur große Herrscher aus der Geschichte, sondern auch bekannte Persönlichkeiten aus derselben. Neben Friedrich dem Großen und Karl dem Großen, beispielsweise, gesellen sich nun auch Harriet Tubman, Lafayette und Ibn Battuta in die Riege der möglich Anführer, alle wie gewohnt mit ihren eigenen speziellen Skills, die unseren Spielstil beeinflussen werden. Während wir früher mit dem Anführer auch eine Kultur ausgewählt haben - beispielsweise haben wir mit Barbarossa in Civilization VI automatisch Deutschland gespielt - wählen wir dieses Mal separate Kulturen aus. Ein Fundus frühzeitlicher Kulturen aus der Antike und drumherum stehen zur Auswahl, die unser Anführer schließlich durch die Jahrhunderte führt. Fridrich der Große kann so beispielsweise Rom durch die Antike führen, während Machiavelli (auch ein möglicher Anführer) vielleicht die Khmer spielt. Auch neu ist, dass wir diese Starterkultur nicht das gesamte Spiel hindurch spielen. Drei Zeitalter erwarten uns im Laufe des Spiels, die Antike, das Entdeckerzeitalter und die Moderne. Diese Zeitalter sind nicht einfach nur an einen Rundentimer gebunden, sondern auch an Events. Jede Runde wird die Fortschrittsuhr ein kleines Bisschen weitergestellt. Erforschen wir spezielle Technologien oder wird ein Spieler ausgeschaltet, springt die Uhr dafür eine gehörige Portion weiter. So arbeiten alle Spieler gemeinsam daran, dass das Zeitalter voranschreitet. Wechseln wir das Zeitalter, wählen wir auch eine neue Kultur. Die zur Verfügung stehenden hängen dabei einerseits von unserem Anführer ab, andererseits von Errungenschaften, die wir im Laufe des Spiels erreicht haben, oder unserer vorherigen Kultur. Wollen wir beispielsweise Amerika in der Moderne spielen, können wir entweder Benjamin Franklin als Anführer spielen, oder wahlweise die Normannen oder Shawnee im Entdecker-Zeitalter. So können wir entweder von Zeitalter zu Zeitalter etwas unseren Spielstil anpassen, indem wir eine Zivilisation mit anderen Vorteilen und Eigenschaften wählen, oder wir versuchen, nah am Effekt unseres Anführer zu bleiben, um diesen voll zu nutzen. Aber natürlich haben sich noch ein paar andere Sachen im Spielfluss der Civ-Reihe geändert…

Barbarische Stadtstaaten und Deserteure der Geschichte


Zum Beispiel kommen unsere wilden Nachbarn gänzlich anders daher. Statt eigenständigen Barbarenlagern haben Stadtstaaten ihre Funktion in sich aufgesaugt. Wenn eure aufkeimende Zivilisation also in Zukunft von barbarischen Horden belagert wird, steht dahinter kein namenloser Stamm, sondern vielleicht Troja. Damit das hoffentlich nicht allzu oft passiert, könnt ihr euch mit Stadtstaaten anfreunden. Indem ihr Einfluss ausgebt, eine politische Ressource, zu der ich gleich mehr sage, könnt ihr Stadtstaaten zunächst friedlich stimmen und dann ihr Suzerän werden. Habt ihr dieses Level erreicht, fungiert der Stadtstaat als eine Erweiterung eurer Zivilisation. Ihr könnt um Hilfe in Kriegen bitten, ihr Land durchqueren und sogar mehr Einfluss ausgeben, um die Stadt gänzlich unter eure Kontrolle zu bringen. Will jemand dem Stadtstaat quer kommen, muss er dabei auch automatisch euch den Krieg erklären. Aber hängt euer Herz nicht zu sehr an Stadtstaaten, wenn ihr nicht vorhabt, sie einzugliedern: Wechseln wir das Zeitalter, werden auch alle Stadtstaaten von der Karte entfernt und durch neu-generierte an anderer Stelle ersetzt. Was bleibt, auch durch die Zeitalter, sind natürlich eure Mitspieler, ob echte Menschen oder KI-gesteuert. Also, sofern sie nicht ausgeschaltet werden. In klassischer Genre-Manier gründen wir und andere Zivilisationen Städte, erweitern unseren Gebietsanspruch in der Welt und beanspruchen Ressourcen und Landstriche für uns. In einer utopischen Welt läuft das natürlich immer friedlich, jeder ist happy. Aber die Menschheitsgeschichte war nie eine Utopie und früher oder später werdet ihr immer mit jemandem aneinander geraten. Bevor das geschieht, können wir aber noch versuchen, friedlich auszukommen. Neben Handelsstraßen, die wir mit der Händler-Einheit einrichten, gibt es die sogenannten Unternehmungen in Civilization VII. Unternehmungen sind gemeinsame Aktionen, die zwei Zivilisationen starten können. Ein Staatsoberhaupt kann Einfluss ausgeben und fragt diese bei einem anderen an, der dann die Wahl hat: Lehnen er die Zusammenarbeit rundheraus ab? Das kostet ein wenig Einfluss. Oder akzeptiert er sie, nimmt aber nicht aktiv daran teil? Dann bekommt der Antragssteller einen großen Bonus, der Zustimmende zumindest einen kleinen. Alternativ kann der Angefragte aber ebenfalls Einfluss ausgeben und den Vorschlag unterstützen - dann gehen beide glücklich heim. So können wir in Zusammenarbeit mit anderen Staaten beispielsweise unsere Forschung stärken, mehr Kultur generieren oder anderweitig unser Zusammenspiel beeinflussen. Manche Weltwunder, die wir in unseren Städten bauen, und Anführer gewähren uns einzigartige Unternehmungen, die anderen Spielern nicht zu Verfügung stehen. Kommt es dann noch zum unausweichlichen Zerwürfnis, trifft man die lieben Mitspieler auf dem Schlachtfeld. Neben Gebäuden können unsere Städte auch Einheiten ausbilden, die wir über die Karte schieben. Jede Einheit hat eine Kampfstärke und gegebenenfalls Sonderregeln. Im Krieg hetzen wir dann unsere Einheiten auf die des Gegners, versuchen das Gelände positiv für uns einzusetzen und die Städte des Gegners entweder einzunehmen oder zu zerstören. Eine wichtigere Rolle spielt dieses Mal der General. Dieser war früher eine große Persönlichkeit, jetzt aber ist er ein aktives Mitglied unserer Kampftruppen. Ein General kann umstehende Kampfeinheiten unter seinem Befehl zu einer Armee zusammenziehen. Dann nehmen multiple Einheiten nur noch ein Feld ein, haben mehr Bewegungsreichweite und profitieren von den vier Skilltrees, auf denen wir unsere Generäle spezialisieren können. Muss unsere Armee dann kämpfen, können wir die Armee vom General aus wieder aufstellen, sodass sie wieder mehrere Felder besetzt und frei agieren kann. Und Obacht, für alle Zeitreisenden: Wechseln wir das Zeitalter, verschwinden all unsere Militäreinheiten, die nicht in einer Stadt stehen oder der Armee eines Generals angehören. Stadtwachen und stehende Heeren überstehen die Jahrhunderte, alle werden wir der Staub der Geschichte davon geweht. Zusätzlich hat Firaxis mal wieder viel daran geschraubt, wie wir mit dem day-to-day-Business unserer Zivilisation umgehen. Ja, klar, wir bauen noch immer Gebäude, sammeln Geld zum Einkaufen, Forschungspunkte für Technologien und Kulturpunkte, um neue Entdeckungen im Sozialleben unserer Einwohner zu machen. Ach, ja, und Einfluss, den wir zum Interagieren mit Stadtstaaten und Mitspielern machen. Was aber neu ist, ist, dass nicht jede unserer Städte auch wirklich eine Stadt ist. Unsere Hauptstadt beginnt als solche, jede neu gegründete ist erstmal eine Siedlung. Diese haben keine Bau-Warteschlange für Gebäude und Einheiten, sondern müssen diese immer mit barer Münze bezahlen. Dafür entrichten sie einen Teil ihrer Erträge aus Produktions-Gebäuden direkt auf unser Konto. Wollen wir eine Siedlung zu einer Stadt machen, kostet das ebenfalls Geld, aber je mehr Einwohner die Siedlung hat, desto billiger ist das für uns. Und auch vor den Forschungen und Kultur-Errungenschaften macht der Zahn der Zeit nicht halt. In der Antike haben wir auch wirklich nur Forschungen der Antike zur Verfügung, die wir erforschen können. Gelangen wir an das Ende des Forschungsbaums, können wir eine wiederholbare Technologie erforschen, die das Zeitalter schneller voranschreiten lässt. Bei der Kultur sieht das ähnlich aus, aber unsere Kultur gibt uns zusätzliche Kultur-Errungenschaften, die den Charakter unserer Zivilisation widerspiegeln. Das alles sorgt dafür, dass unsere Einheitenupgrades flacher ausfallen als bisher. Unsere anfänglichen Krieger rüsten wir in der Antike zweimal auf, bevor das Ende der Antike bevorsteht. Das dämpft etwas das Wettrüsten, das wir aus vorherigen Titeln der Reihe kennen. Kommt dann das neue Zeitalter um die Ecke, werden all unsere überlebenden Einheiten automatisch auf das Grundlevel der neuen Ära aufgerüstet und es geht wieder von vorne los.

Quo vadis, Informations-UI?


Firaxis hat die Civilization-Formel also mal wieder kräftig auf den Kopf gestellt und ist neue Wege gegangen, so wie es sein sollte. Und eine ganze Schar neuer Anführer steht bereit, mit uns durch die Jahrhunderte zu reisen. Frische Kulturen warten darauf, von uns durch die Unbillen der Menschheitsgeschichte begleitet zu werden! Es klingt also eigentlich alles nach einem guten Start, nicht? Leider kränkelt das Spiel aber recht schnell an einigen Kinderkrankheiten. Aber bevor wir auf diese eingehen, lasst uns etwas über Geschmackssachen reden. Zum Beispiel die Grafik. War der vorherige Titel der Reihe noch hell, bunt und mit lebhaft-fantasievollen Figuren gefüllt, nimmt man dieses Mal die eher realistische Route. Sowohl unsere Anführer, als auch Modelle und Gebäude auf der Weltkarte kommen im ernsteren Look daher. Selbst das Hauptmenü wirkt vom ersten Moment an schlichter, gediegener. Das ist ein Trend, der sich durch die gesamte UI zieht. Was die Sprecher angeht, erwartet uns dieses Mal ein wilder Mix. Hey, es ist Geschmackssache, ja? Aber für mich spielen die Sprecher auf sehr unterschiedlichen Leveln. Ein Friedrich der Große beispielsweise wirkt eher unnatürlich, wenn es darum geht, Sprecher und Figur in Einklang zu bringen. Musikalisch gibt es die ein oder anderen Hits, für die die Reihe inzwischen bekannt ist. Auch Fan-Liebling Christopher Tin ist wieder mit dabei und zeichnet sich für die Intro-Musik verantwortlich. Im Laufe einer Runde, die schonmal mehrere Stunden gehen kann, doppeln sich die Stücke aber recht schnell und verwischen dabei eben zusehends. Und wie gesagt, die Kinderkrankheiten. Allen voran ist dabei das UI zu erwähnen, das ich bereits erwähnt habe. Immer wieder fehlen uns Informationen, im Kontext werden uns oft nicht die nötigen Details gegeben und sind wir beispielsweise in Friedensverhandlungen, können wir uns die Stadt, die uns unser Gegner anbieten will, nichtmal anschauen, bevor wir über sie entscheiden. Auch Tutorials greifen oft leider zu kurz. Im Multiplayer bugt die UI besonders: Durchgehend wird mir beispielsweise gezeigt, dass meine Mitspieler auf mein Rundenende warten, obwohl diese selbst noch werkeln und herrschen. Beende ich meine Runde, kann ich meinen weiteren Stadtausbau nichtmal planen, weil mir in der Stadtansicht keine Gebäude mehr angezeigt werden - dafür muss ich meine Runde erst wieder ent-beenden, bis mir meine Mitspieler ansagen, dass sie jetzt wirklich mit ihrer Runde durch sind. Andere Lücken sind auch aufgetreten. Einheiten, die unerklärbar große Umwege gehen, statt den freien Weg voran zu nehmen. Fernkampfeinheiten, die angeblich den Feind auf zwei Feldern Entfernung nicht sehen können. Einmal habe ich einen Trupp Ritter von einem Feld aufs andere befohlen - aber nur ihre Einheitenstandarte hat sich bewegt, die Modelle selbst blieben auf dem Ausgangsfeld. Erst der Wechsel des Zeitalters hat die eingefrorenen Ritter wieder befreit. Wechseln wir übrigens das Zeitalter, geschieht das nicht in einem Ingame-UI, sondern alle Spieler werden zurück in die Lobby versetzt, in der man die neuen Kulturen auswählen darf. In diesem Menü fällt dabei, während des Spielstarts noch etwas auf: Wir können unseren Anführer mit Start-Vorteilen ausrüsten. Spielen wir einen Anführer, sammeln wir Erfahrung mit diesem. Haben wir genug davon, erhalten wir Gegenstände, die mit diesem Anführer verbunden sind - wie Friedrichs Gehstock. Bis zu zwei Gegenstände können wir bei Spielstart anlegen, die uns erste Upgrade-Punkte für unseren Herrscher geben. Das können passive Boni in allen Lebenslagen sein: für Forschungen, Militär, Diplomatie. Ein Beispiel: Im Militär-Anführer-Skilltree finden wir nicht nur den Boni, stärker gegen Stadtstaaten zu sein, sondern auch eine Stadt mehr zu besitzen, als es uns eigentlich erlaubt ist, oder Unzufriedenheit in frisch eroberten Städten zu ignorieren. Haben wir uns schließlich an diesen Unwägbarkeiten vorbeigeschlagen, stehen uns trotzdem vier Wege zur Verfügung, zu gewinnen: Kulturell, militärisch, wissenschaftlich oder wirtschaftlich. In jedem Zeitalter können wir Ziele erfüllen, um unser Volk voranzubringen und Boni für das nächste Zeitalter zu erhalten. Außerdem geben uns diese Missionen eine Richtung, auf die wir hinarbeiten können. Im letzten Zeitalter stellen diese Missionen die Siegbedingungen dar, wie das klassische Weltraumrennen, wenn es um die Wissenschaft geht. Wer reist als erstes zu den Sternen? Und als Fan der Civ-Reihe muss ich auch sagen, dass wieder ein paar Features, die in vergangenen Titeln gut ausgearbeitet wurden, hier wieder einen Schritt zurückmachen. Zum Beispiel die Religion - die musste auch im letzten Titel erst in einem DLC auf Vordermann gebracht werden. Dass man hier aber ein ähnliches Gefühl hat, ist bitter. Großer Wermutstropfen dafür: Im Multiplayer läuft das Spiel sauber, ohne Abstürze oder Disconnects, die uns untergekommen wären. Aber ihr solltet vermutlich die Schwierigkeit der NPCs nach oben drehen - mehrere Stufen stehen zur Verfügung, aber auf der Standardschwierigkeiten hängt ihr die anderen Weltherrscher schnell ab.

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